Die Olympiachance lebt - Teamchef & Kapitän im Interview

19.03.2015

Österreichs Herren haben den Aufstieg ins Halbfinale der World League und damit zum Kampf um die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro souverän geschafft. ÖHV-Teamchef Tomasz Laskowski und Kapitän Benny Stanzl erklären im Interview wie stark der Auftritt der Mannschaft in Chula Vista (USA) war und wohin die Reise gehen kann. Der Ex-Nationalspieler und der HTHC-Star sprechen über Stärken und Schwächen ihrer Jungs und wie groß die Chance auf die historische Olympiaqualifikation ist.

Der Aufstieg ins Halbfinale der World League und damit der Olympia-Qualifikation wurde in den USA überzeugend geschafft. Wie ist diese Leistung einzuschätzen?
Laskowski: „Großartig. Mit den vielen Umstellungen von Halle auf Feld und noch einmal Halle auf Feld ist die Leistung eigentlich unglaublich. Wobei wir wissen, dass wir noch besser spielen können, wenn wir die Möglichkeit hätten uns ausschließlich auf ein Event vorzubereiten. Unsere Leistung war immer noch nicht bei 100 Prozent. Wir waren nicht in jedem Spiel zufrieden und wissen, dass noch mehr drin ist.“

Stanzl: „Die Leistung ist sehr hoch einzuschätzen. Wir haben uns zwar gut auf das Event vorbereitet, trotzdem war die Belastung im Vorfeld durch die Hallen-WM und den Europacup ziemlich hoch. Die Spieler und der Trainerstab sind mit dieser Belastung sehr gut umgegangen und deswegen war dies nie ein Nachteil für uns. Wir haben uns als Team in diversen Bereichen enorm entwickelt, deswegen ist dieser Aufstieg auch kein Zufall.“

"Der Traum von Olympia lebt"

Und wie groß ist die Freude?
Laskowski: „Die Freude ist groß, die Erfolge schmecken aber noch besser.“

Stanzl: „Die Freude ist natürlich extrem groß. Der Traum von Olympia lebt weiter, wir haben bis jetzt hart dafür gearbeitet und werden die nächsten 3 Monate noch härter an unseren Schwächen arbeiten. Ob es dann am Ende reichen wird werden wir sehen, aber wir tun alles dafür um die kleine Chance am Leben zu erhalten.“

Was war im Turnier besonders auffällig? Wo war Österreich gut?
Laskowski: „Die Akklimatisationszeit war interessant. Wir waren noch nie so lange am Stück zusammen. Das war für uns alle eine neue Erfahrung. Auffällig war, dass wir uns selber bewiesen haben, dass unsere Leistung in der Vorbereitung gegen Südafrika und Spanien keine Zufallsprodukte waren. Wir hatten im letzten Spiel in den USA körperlich unsere beste Leistung und das spielt sich zu einem großen Teil im Kopf ab – diese Überwindung war da. Wir waren sehr gut in der Raumdeckung, das ist sicher eine unserer Stärken. Wir haben uns im letzten Jahr taktisch sehr weiterentwickelt und waren dadurch ein sehr unangenehmer Gegner. Auch bei den Strafecken hatten wir keine schlechte Quote – Dominic Uher hat sich zu einem sehr guten Schützen entwickelt. Es ist gut zu wissen, dass wir da nicht nur Michi Körper haben. Und es kommen mit etwa Flo Steyrer und Mathias Podpera noch weiter nach, obwohl Michi der Beste ist. Individuelles Abwehrverhalten ist deutlich besser geworden, im Vergleich zu früheren Jahren verteidigen vor allem die Stürmer besser. Außerdem reagieren wir besser auf Druck und finden mehr Wege uns daraus zu befreien. Der Betreuerstab ist auch sehr stark. Jeder bringt individuelle Stärken in das Team ein.“

Stanzl: „Defensiv sind wir schon auf sehr hohem Niveau. Auch bei den Strafecken haben wir eine enorme Qualität, haben mittlerweile zwei, drei Schützen, die regelmäßig treffen.“

Und wo liegt noch Verbesserungspotenzial?
Laskowski: „Spielaufbau und Passqualität in Härte und Genauigkeit kann noch besser sein. Im Spielaufbau können wir schneller agieren, brauchen im Passspiel mitunter zu lange. Wir müssen auch besser kommunizieren, vor allem im Wechsel zwischen Raum- und Manndeckung. Ein Manko ist auch die Torgefährlichkeit. Wir erzwingen aus unserem System viele sehr viele Ballgewinne, aber wir müssen mehr daraus machen und schneller und direkter nach vorne spielen. Unter Druck brauchen wir von Ballannahme bis zur Verarbeitung zu lange und verpassen dadurch viele Anspielmöglichkeiten. Bei der Annahme von Hebern und hohen Bällen in der Bewegung haben wir auch noch Luft nach oben. Und in der Manndeckung können wir noch aggressiver und näher am Gegner stehen.“

Stanzl: „In der Offensive im Torschuss, Abschluss und Laufverhalten müssen wir uns noch steigern. Auch in der Strafeckenverteidigung haben wir noch einiges aufzuholen.“

Wie wichtig ist es für die Mannschaft, jetzt wenigstens eine kurze Pause zu haben? Die Belastung war ja seit Herbst extrem.
Laskowski: „Die Pause ist jetzt sehr wichtig. Wir müssen alle körperlich und geistig einmal runterkommen. Danach können wir alle, Spieler und Betreuer, den Spaß am Hockey wiederfinden.“

Stanzl: „Eine Pause wäre schon extrem wichtig. Leider geht es für die meisten von uns direkt in die nächste Vorbereitung für die EHL. Zum Glück haben wir aber auch Trainer in den Vereinen die viel Ahnung haben und unser Training gut steuern.“

"Nicht einschüchtern lassen"

Die Olympia-Qualifikation steht schon im Juni an. Mit welchen Erwartungen und Zielen geht man an den Start?
Laskowski: „Wir wollen Erfahrungen sammeln und uns weiterentwickeln – und vielleicht die Sensation schaffen und den Traum von Rio 2016 wahr machen.“

Stanzl: „Die Gegner in der Runde 3 sind natürlich sehr große Brocken. Es wird eine tolle Erfahrung für uns, wir werden viel lernen können, dürfen uns aber auch nicht einschüchtern lassen von den großen Namen. Ich denke wir sind auch auf einem guten Weg und auch wenn unsere Chancen klein sind, wir werden versuchen jede zu nützen und vielleicht gelingt uns ja die ein oder andere Überraschung, und dann wird eventuell unser Traum zur Realität.“

Wie groß sind die Chancen, dass dieser Traum wahr wird?
Laskowski: „Die Chance ist klein, aber sie ist da. In so einem Turnier muss alles zusammenpassen. Leistung und Teamwork müssen perfekt sein und das nötige Glück braucht man auch immer. Aber wir sind Außenseiter.“

Stanzl: „Der Modus ist für Außenseiter meiner Meinung nach nicht optimal. Wir müssen in der Gruppe auf jeden Fall einen Großen schlagen um überhaupt ins Viertelfinale zu kommen. Danach hast du ein Entscheidungsspiel da ist alles möglich. Es muss einfach sehr viel passen.“

Was könnten die Knackpunkte werden?
Laskowski: „Der Umgang mit dem Druck. Als Außenseiter hat man nichts zu verlieren, aber das kann auch in die falsche Richtung kippen. Zu viele Erwartungen sind auch nicht gut. Wir müssen einfach den Ball flach halten und hart arbeiten.“

Stanzl: „Eventuell wird uns der ein oder andere Gegner auf die leichte Schulter nehmen. Ich denke, das kann man sich gegen uns nicht mehr erlauben. Wir haben uns technisch, mental und taktisch enorm entwickelt. Unser Defensiv-System ist unsere Stärke und wir hoffen, dass sich auch in der World League Runde 3 der ein oder andere Gegner daran die Zähne ausbeißen wird.“

"Alle Teams Hammergegner"

Ihr spielt in Argentinien um den Traum von Olympia 2016. War das auch das Wunschziel? Belgien wäre ja auch möglich gewesen.
Laskowski: "Für ich ist das ziemlich egal, wo wir spielen. Auf diesem Level sind sowieso alle Teams echte Hammergegner. Vielleicht ist es ein kleiner Nachteil, dass wir uns auch aufgrund der Zeitumstellung wieder akklimatisieren müssen, das hätten wir uns in Belgien erspart. Organisatorisch ist es aber für alle besser, gerade auch für unsere Legionäre. Um unseren Olympia-Traum kämpfen wir da wie dort."

Stanzl: "Persönlich ist mir Argentinien lieber, da es keine Überschneidungen mit der deutschen Bundesliga gibt. Was die Gegner betrifft ist es glaube ich egal, wo wir um unseren Traum kämpfen."

Österreichs Hockey verbessert sich seit Jahren kontinuierlich und zeigt eine starke Entwicklung. Wie weit kann das gehen?
Laskowski: „Die Top 12 der Welt wären nicht schlecht.“ (lacht)

Stanzl: „Wir sind mit unserer Entwicklung noch lange nicht am Ende. Unsere Mannschaft ist sehr Jung, und hat noch enormes Potenzial nach oben. Wir dürfen dieses Jahr über 20 Länderspiele auf Weltklasse-Niveau bestreiten. Das wird unsere Qualität nochmal verbessern. Dies ist sicher kein Nachteil für die anstehende EM im Sommer, da ist unser klares Ziel der Aufstieg. Danach werden wir uns neue Ziele stecken und weiter an unserer Entwicklung arbeiten.“